Warum die "Große Transformation" kein "Zukunftsfähiges Deutschland III" ist

1996 hat Wuppertal Institut mit seiner Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" einen entscheidenden Impuls in die damals noch junge Debatte über eine "Nachhaltige Entwicklung" gegeben. Erstmalig existierte ein motivierendes Gesamtbild, das die abstrakten Prinzipien der Nachhaltigkeitskonferenz von Rio 1992 konkret auf Deutschland herunterbrach. Die Studie entstand zusammen mit dem BUND als größtem deutschen Umweltverband und dem katholischen Hilfswerk Misereor und fand gerade in der Zivilgesellschaft eine große Verbreitung. Misereor blickte angesichts des eigenen 70-jährigen Bestehens erst kürzlich auf die Studie und ihre Wirkgeschichte zurück.

 

Die Neuauflage des Zukunftsfähigen Deutschlands im Jahr 2008 (https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/384/) stieß – damals in Kooperation mit dem BUND, dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst– schon nicht mehr auf die gleiche Resonanz.

 

Ein entscheidender Grund liegt daran, dass es heute weniger an konkreten Visionen mangelt. Diese liegen inzwischen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene sowie für verschiedene Sektoren in vielfältiger Form vor. Die Verabschiedung der Agenda 2030 im September 2015 mit ihren 17 globalen Entwicklungszielen und einer noch größeren Zahl an Unterzielen liefert zudem konkrete Zielpunkte für die Entwicklung der kommenden Jahre. Fast könnte man schon von einem Zustand des "Lost in Visions" konstatieren. Weitere reine Zukunftsentwürfe von außen helfen dabei kaum weiter.

 

Heute ist viel wichtiger, dass Menschen vor Ort eigene spezifische Visionen nachhaltiger Entwicklung für ihre Situation vor Ort entwickeln, die auf ihre Stadt, ihre Region, ihr Unternehmen, ihre zivilgesellschaftliche Organisation passen und von den Aktiven vor Ort ihren Ausgangspunkt nehmen. Es geht um Visionen, die Selbstwirksamkeit befördern. Sie müssen von den Akteuren selber und nicht von außen kommen. Im Zusammenspiel dieser spezifischen Zugänge kann sich dann eine konkrete Änderungsdynamik entfalten.

 

Das ist der Grund, warum das Wuppertal Institut mit seinem neuen Buch zur "Großen Transformation" nicht eine neue Vision vorlegt, sondern ein "Transformations-Kompendium" (Vergleichbar dem Transition Handbook der Transition-Town-Bewegung) für "Zukunftskünstler". Das Buch will helfen, "Change-Maker" bzw. in der Terminologie des Buches "Change-Artists" zu empowern. Es will sie in die  Arenen, Akteure und Mechanismen der Großen Transformation einführen. Es ist ein Handbuch der Transformation, das beides vermittelt, was im deutschen Begriff der "Kunst" steckt: das "Handwerkszeug" ("Craft") und die künstlerische Inspiration ("Art") bei der Entwicklung möglicher Zukünfte.

 

Insofern steht die "Große Transformation" in einer Linie zum Zukunftsfähigen Deutschland, setzt aber einen anderen Akzent. Es macht das geballte Transformationswissen des Wuppertal Institutes für die Akteure des Wandels kompakt verfügbar und schafft eine Plattform für die Vernetzung und das gemeinsame Lernen von Zukunftskünstlerinnen und Zukunftskünstlern.