Reflect OPERAS 1: Oper und Wuppertal Institut als Orte des "Möglichkeitssinnes"

Gleich in den ersten beiden Tagen des Ämtertausches ist ein Eindruck überwältigend: Die Energie, Intensität und Agilität, mit der die Beteiligten das Projekt Oper vorantreiben: Künstlerinnen und Künstler, Regisseure, Dramaturgen, Disponenten, Planer, Gewerke, Statisten: ein faszinierendes Räderwerk, mit Akteuren voll Emotion, aber mit kurzem auf den Punkt gebrachten Entscheidungsprozessen, sowie dem souveränen Umgang mit "Störungen im Betriebsablauf" (zu der dann auch der Wegfall des Intendanten für drei Wochen gehört).

 

In der Oper Wuppertal ist all das gleich nochmals herausfordernder – durch sehr knappe Budgets sowie einem Opernhaus, das von drei Sparten (Oper, Schauspiel, Sinfonieorchester) sowie dem Pina Bausch-Tanztheater bespielt wird (mit allen daraus folgenden Koordinations- und Abstimmungsherausforderungen). All der Einsatz wird von einem gemeinsamen Kompass geleitet: genau auf den Punkt eine exzellente Vorstellung abzuliefern.

 

Was ist der Motor hinter einem solchen Einsatz trotz zumeist geringer Bezahlung, befristeten Beschäftigungsverhältnissen, immer wieder wechselnden Anstellungsorten? 

 

Der Religionssoziologe Wilhelm Gräb (2005) beschreibt die Erfahrung, die Kunst im Allgemeinen und die Oper im Besonderen eröffnen kann als "intensive, stimmige, zweckfreie und sprachlich nur begrenzt beschreibbare Prozesse der Teilhabe am Absoluten". Die Bedeutung solcher zweckfreien Sinnerfahrungen gewinnt in Gesellschaften, die immer stärker rationalisiert, getaktet und funktionalisiert sind, eine wachsende Bedeutung. Es ist die Chance zur Teilhabe an einem besonderen Moment des Erhabenen.

 

Gerade hier liegt die spannende Parallele zum Wuppertal Institut. Denn auch im Wuppertal Institut finden sich eine hohe Zahl von "Überzeugungstäter/innen", die sich bewusst für das Institut als Arbeitgeber entschieden haben, weil sie mit ihrer Wissenschaft an der übergeordneten Vision einer sozial und ökologisch gerecht gestalteten Welt mitwirken wollen. Auch das schafft eine besondere Organisationskultur.

 

Sowohl die Oper als auch das Wuppertal sind mithin Organisationen des "Möglickeitssinnes" (Musil). Mit ihrer Arbeit vermitteln sie einen Eindruck davon, welche Potenziale in uns als Menschen stecken und lassen uns an diesem Potenzial teilhaben. Darum lauschen wir in der Oper erhaben einer mitreißenden Arie oder einem hervorragend inszenierten Stück, und können mit der Arbeit des Wuppertal Institutes immer wieder für die Vision und einer Welt begeistern, in der für 10 Milliarden Menschen auf einem ökologisch begrenzten Planeten die Chance für ein würdevolles Leben möglich ist.

 

Hintergrund zu den Blogeinträgen "Reflect OPERAS"