Die Rolle der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in der Großen Transformation

Gestern hatte ich die Freude, auf einer Tagung der HIS-HE, die sich mit den strategischen Perspektiven der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW´s bzw. früher "Fachhochschulen") beschäftigt, die Dinner-Speech zu halten.

 

Mein Plädoyer für die besonderen Chancen der HAW´s in der Debatte über die Große Transformation folgte vier Thesen:

 

1. Wissenschaftspolitik ist heute Gesellschaftspolitik. Ohne eine aktivere Rolle der Wissenschaft lassen sich die technologischen (Stichwort: Digitalisierung), ökonomischen (Dysfunktionalitäten des modernen Finanz- und Plattformkapitalismus), politischen (Erosion westlicher Demokratien) und ökologisch-moralischen (Klimawandel/Nachhaltige Entwicklung) Herausforderungen nicht bewältigen.

 

2. Das Wissenschaftssystem wird seiner notwendigen gesellschaftlichen Rolle aufgrund einer sehr spezifischen forschungsorientierten Selbstbezüglichkeit (Methodische Stringenz vor Relevanz) und eine immer noch weitgehend vertikalen Differenzierung nicht gerecht.

 

3. Dabei eröffnet die konsequente Ausrichtung an gesellschaftlichen Herausforderungen auch neue Möglichkeiten für eine sehr gute Forschung (Stärkung von Inter- und Transdisziplinarität) und insbesondere Lehre (Problembezogenes und transformatives Lernen). Es gilt daher die "Third Mission von Hochschulen (Gesellschaftsorientierung) viel öfter konsequent zur First Mission zu machen"

 

4. Die HAW´s verfügen über hervorragende Voraussetzungen, um diese strategische Lücke des Wissenschaftssystem zu füllen: (1) durch ihre umfassenden Erfahrungen der Wissensintegration mit Praxispartnern, (2) durch die guten Betreuungsverhältnisse in der Lehre mit dem Potenzial zu innovativen Lehrformaten, (3) durch ihr für gesellschaftliche Fragen hoch relevantes Fächerspektrum von den Ingenieurwissenschaften bis zur Sozialen Arbeit, (4) durch ihre starke regionale Verankerung, die ihr unmittelbares Umfeld zu einem Reallabor für eine gesellschaftlich wirkende Wissenschaft werden lässt.

 

Fazit: Selbstbewusst zu Third Mission-Hochschulen zu werden, ist eine interessante Option für Hochschulen Angewandter Wissenschaft. Sie würden damit auch das Wissenschaftssystem insgesamt beleben und einer wirklichen horizontalen Differenzierung den Weg bereiten.