Verwaltung als Zukunftskunst – Zur Rolle von Stadtverwaltungen in Zeiten des Umbruchs

Am letzten Donnerstag durfte ich auf der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ vor Vertreterinnen und Vertretern von Stadtverwaltungen aus dem gesamten Ruhrgebiet einen Impuls zum Thema "Verwaltung als Zukunftskunst" halten. Diese von der Emschergenossenschaft initiierte Initiative hat sich zu einem äußerst lebendigen Austauschforum von engagierten Verwaltungs-Verantwortlichen aus allen Fachbereichen der meisten Ruhrgebietsstädte entwickelt. Die engagierte und energiegeladene Atmosphäre unter den rund 300 Teilnehmern am 27.09. in der Emscher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen machte das deutlich.

 

Im Zentrum meines Vortrages stand die Rolle von Stadt-Verwaltungen in der Zeiten des Umbruchs:

 

Stadtverwaltung als Treiber oder Getriebene?

 

Stadtverwaltungen in Kommunen im ökonomischen Strukturwandel werden heute gleich durch mehrere Entwicklungen getrieben:

·       Der digitale Wandel wirkt (z.B. durch die wachsende Bedeutung des Online-Handels) unmittelbar auf die (Innen)städte zurück und erhöht zudem die Anforderungen von Bürgerinnen und Bürger an die Ausgestaltung digitaler Verwaltungsprozesse,

·       Die ökonomische und soziale Entwicklung in vielen Städten verstärkt die soziale Segregation und Desintegration in vielen Städten und verschlechtert durch wachsende Ungleichheiten das Sicherheitsempfinden sowie das soziale und kulturelle Klima in Städten,

·       Die Zunahme von Hitze und Wetter-Extremereignissen durch den fortschreitenden Klimawandel schafft zusätzliche Anpassungsanforderungen an Stadt-Verwaltungen.

·       Gerade überschuldete Kommunen können diesen wachsenden Anforderungen nur mit einer sehr eingeschränkten Handlungsfähigkeit begegnen.

·       Gleichzeitig gewinnen dadurch andere Akteure in der Stadtgestaltung an Bedeutung – sowohl finanzstarke Investoren (z.B. aus dem Handels-Umfeld) als auch zivilgesellschaftliche Initiativen.

 

Stadtverwaltungen geraten vor dem Hintergrund dieser Dynamiken oft in die Defensive. Sie werden zu Getriebenen von außen kommender Dynamiken. Wie können Stadtverwaltungen in einer solchen Konstellation wieder zu aktiven Treibern und Gestaltern langfristiger Stadtentwicklung werden?

 

Wissen – Fähigkeit – Haltung: der Dreiklang erfolgreichen Verwaltungshandelns

 

Die Kunst der Zukunftsgestaltung basiert auch in Verwaltungen auf den Dreiklang von Wissen, Fähigkeit und Haltung (S. 460 f. im Buch zur Großen Transformation). Das Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen von Verwaltungshandeln ist ein zentraler Baustein jeder Verwaltung. Alleine ist damit eine zukunftsfähige Stadtentwicklung kaum möglich. Sie muss einhergehen mit oft in langer Erfahrung entwickelten Fähigkeiten zu innovativen und kreativen Lösungen im bestehenden formalen Rahmen. Solche Fähigkeiten werden sich nur ausprägen, wenn sie von einer zukunftsorientierten Haltung getragen werden: Stadtverwaltung als Ermöglicher zukunftsfähiger Stadtentwicklung und nicht als Instanz des rechtssicheren Bewahrens. Der Emscher-Umbau ist eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Wissen, Fähigkeiten und eine auf die Zukunft der Region ausgerichtete Haltung eine Dichte an innovativer Stadt- und Regionengestaltung ermöglicht haben, die heute international ausstrahlen.

 

Die erfolgreichen Prinzipien einer nachhaltigen Stadtgestaltung lassen sich dabei in fünf Thesen verdichten:

 

1. Die Außenperspektive stärken. Der Blick von außen (insbesondere durch Einbezug von Akteuren, die nicht aus der Stadt und Region kommen) öffnet häufig völlig neue Blicke auf die Potenziale, die in den Städten liegen.

 

2. Mut zu integrierten Stadtvisionen. Stadtgestaltung passiert heute häufig in unterschiedlichen Sektoren und Zuständigkeiten. Dadurch entsteht ein – sich z.T. sogar wiedersprechendes Patchwork – möglicher städtischer Zukünfte. Dies erzeugt kaum Identifikation und die Mobilisierung urbaner Akteure. Daher gilt es integrierte Stadtvisionen durchaus auch mit externer Unterstützung zu entwickeln.

 

3. Experimentierräume stärken. Zukunftsfähige Stadtgestaltung benötige Experimentierräume, in der neue Lösungen erprobt werden können und die Gestaltungsmöglichkeiten auch für zivilgesellschaftliche Akteure schaffen. Die InnovationCityRuhr Bottrop, die IBA Emscherpark, die Entwicklung der Zeche Zollverein sind Ausdruck solcher erfolgreichen Experimentierräume im Emscher-Einzugsbereich.

 

4. Externen Akteuren und der Wissenschaft Räume für den Eingriff in die Stadtgesellschaft lassen. Gerade aufgrund der z.T. begrenzten (ökonomischen) Handlungsmöglicheiten von Stadtverwaltungen sollte die Gestaltungskraft zivilgesellschaftlicher Akteure für die Stadtgesellschaft genutzt werden, um die Gestaltungsmöglichkeiten zu erhöhen. Viele innovative Projekte sind so auch in Städten im Strukturwandel in den letzten Jahren entstanden (vgl. z.B. die Nordbahntrasse in Wuppertal).

 

5. Fachbereichs-übergreifende Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung. Integrierte Stadtvisionen, die Zusammenarbeit mit externen Akteuren – all das benötigt auch innerhalb der Stadtverwaltungen eine offene und Fachbereichs-übergreifende Kooperation. Je stärker diese ausgeprägt ist, desto besser wird auch die Kooperationsfähigkeit nach außen gelingen.

 

Stadtgestaltung in Zeiten des Umbruchs ist eine hohe Kunst. Stadtverwaltungen bleiben der zentrale Motor jeder urbanen Transformation. Sie sollten sich trotz schwieriger Randbedingungen zu selbstbewussten Zukunftskünstlern entwickeln.