Reflect OPERAS 2: Was uns John Cage´s "Play Europeras 1&2" über den Umgang mit Digitalisierung lehrt

Die Zweischneidigkeit von Digitalisierung für Umwelt und Gesellschaft ist ein wichtiges Thema der Forschung des Wuppertal Institutes. Die Gestaltung der Digitalisierung ist ein Prüfstein gelungener "Zukunftskunst" für eine nachhaltige globale Entwicklung

 

Werden uns die Möglichkeiten der Digitalisierung in ein ökologisches und gesellschaftliches Utopia führen oder in vielfältigen "Dystopien" enden?

 

Das Schauspiel der Wuppertaler Bühnen setzt sich im Stück "Im Schatten kalter Sterne" von Christoph Nußbaumeder explizit mit der Ambivalenz der Künstlichen Intelligenz auseinander.

 

Einen übertragenen und elementareren Zugang zum Wesen der Digitalisierung liefert aber ein anderes Stück der Wuppertaler Bühnen: Die zusammen mit dem Rimini Protokoll inszenierte John Cage Oper "Play Europeras 1&2". In dieser 1987 von John Cage für die Oper Frankfurt geschaffenen Auftragsarbeit setzt sich Cage auf eine besondere Art mit der europäischen Operntradition auseinander: Er zerlegt sie in ihre Arien, Kostüme, Regieanweisungen und arrangiert sie nach einem Zufallsprinzip auf einem Schachbrettmuster neu und schafft damit eine Überblendung aus vielfältigen Versatzstücken. "200 Jahre lang haben uns die Europäer ihre Opern geschickt. Nun schicke ich sie alle zurück" – so charakterisiert Cage sein Werk, an dessen Umsetzung sich in den letzten 30 Jahren nur wenige Opern getraut haben und die Oper Wuppertal zusammen mit dem Rimini Protokoll jetzt eine vielfach hoch gelobte Inszenierung vorlegt.

 

John Cage´s Oper fordert unsere Hör- und Harmonie-Erwartungen in besonderer Weise heraus. Das hat viel Ähnlichkeit mit dem, was uns die Digitalisierung derzeit an Disruptionen beschert: Neue Geschäftsmodelle, die bestehende Branchen genauso wie lange sicher geglaubte Jobs hinwegfegen. Neue Formen der elektronischen Kommunikation, die den Alltag anders strukturieren,. KI-gesteuerte Pflegeroboter statt direkter menschlicher Zuwendung,. Autonom fahrende Fahrzeuge ohne Fahrer. Völlig neue Überwachungsmöglichkeiten durch Staaten und marktbeherrschende Datenkonzerne. Harmonien der bisherigen Welt werden wild durcheinander gewürfelt.

 

Diese Disharmonien der Digitalisierung prägen die öffentliche Diskussion. Die damit verbundenen Unsicherheiten und Verwerfungen sind auch eine Bedrohung für offene Demokratien.

 

Gleichzeitig stecken in der Digitalisierung viele Potenziale für neue Harmonien: Die Grundlagen für eine vollkommen dezentrale und regenerative Energieversorgung und für geschlossene Stoffkreisläufe. Für eine hoch produktive Ökonomie, die alternative Entfaltungsfreiräume und Modelle sozialer Absicherung ermöglichen kann. Neue Möglichkeiten einer Demokratie auf der Grundlage von OpenData und erleichterten Beteiligungsmöglichkeiten.

 

Gerade in Zeiten des Umbruchs ist unser Harmonie-Verständnis gefordert, braucht es ein Navigieren zwischen alten Harmonien und neue Möglichkeiten andeutenden Disharmonien. Ohne Vorstellungen von Harmonie -in diesem Fall von Bildern einer wünschenswerten Gesellschaft und einem guten Leben- lassen sich keine guten Leiplanken für die sich entfaltenden technologischen Möglichkeiten schaffen.  Gleichzeitig gilt es sich nicht alleine in vergangene Harmonien zu flüchten. Das gilt auch für die Umweltbewegung. Die digitale Rekonfiguration von Wirtschaft und Gesellschaft bietet vielfältige Potenziale für eine ökologische Gesellschaft - in der Energieversorgung, der Mobilität, dem Zusammenleben in unseren Städten. Zudem verweisen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz auf eine besondere Herausforderung der Umweltbewegung: Denn letztlich ist das gesamte Ökologieprojekt ein Vernunftsprojekt. Aber was heißt es eigentlich, wenn irgendwann Künstliche Intelligenz die Steuerung eine ökologisch funktionierenden Planeten übernimmt? Ist dann für unvernünftige Menschen auf dieser Welt noch Platz? Liegt nicht gerade auch in unserer Unvernunft etwas Ur-Humanes?

 

Angesichts dieser grundlegenden Fragen ist der Besuch von "Play Europeras 1&2" ein äußerst lohnenswerter Selbsttest zum Umgang mit den eigenen Harmonievorstellungen in Zeiten des digitalen Rekonfiguration. Die Dernière von Europeras am 6.04.2019 gibt in Wuppertal nochmals eine Gelegenheit dazu (Karten unter: https://www.adticket.de/Europeras-12-Musiktheater-von-John-Cage/Wuppertal-Opernhaus/06-04-2019_19-30.html)

 

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