Reflect OPERAS 5: Commitment, Präsenz, biographische Flexibilität – die Oper als "agile" Organisation

Eine Oper ist in jeder Hinsicht eine "Anti-Komfortzonen"-Organisation. Das gilt gerade für ein "kleines Haus" wie in Wuppertal. Nüchtern betriebswirtschaftlich betrachtet produziert sie hoch komplexe und individualisierte Kleinserien - mit höchstem Qualitätsanspruch und mit äußerst knappen Ressourcen: Ein ambitioniertes Spielzeitprogramm muss mit engem Budget, knapper Raumausstattung, knapp bemessenem technischen Personal in den Werkstätten (vom Bühnenbild bis zur Kostümproduktion) und unter Einbindung externer Künstlerinnen, Statisten, Regisseure auf den Punkt und mit Begeisterung auf die Bühne gebracht werden. In Wuppertal ist diese Situation nochmals herausfordernder, weil sich gleich drei Sparten (Oper, Schauspiel, Orchester) sowie das Tanztheater Pina Bausch das Opernhaus und die technischen Einrichtungen teilen.

 

Auf den Weg gebracht wird diese Leistung von Menschen, die insbesondere im künstlerischen und planerischen Bereich unter äußerst prekären Beschäftigungsbedingungen arbeiten: mit Verträgen, die in der Regel auf eine oder zwei Spielzeiten befristet sind und sich immer nur Spielzeitweise verlängern. Dies führt zu besonderen berufsbiographischen Situationen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an vielen unterschiedlichen Orten und Häusern national und international tätig waren, deren Leben in jeder Hinsicht auf Wechsel angelegt ist. Auch vermischen sich berufliche Funktionen über die Zeit: Ehemalige Sänger, die jetzt als Chefdramaturgen oder Chef-Disponenten arbeiten, Verantwortliche in Doppelrollen als Schauspieler und Intendant, Organisatoren, die es nach einer Konzernkarriere in das Management eines künstlerischen Betriebes führte.

 

Das Ergebnis ist ein Ort mit Menschen, die einen souveränen Umgang mit dem Heraustreten aus Komfortzonen über Jahre kultiviert haben, die sich schnell auf neue Kontexte und Menschen einstellen, die von Begeisterung und Commitment für die Sache trotz schwieriger Randbedingungen getragen sind.

 

Die Konsequenzen für den Arbeitsalltag sind eindrucksvoll: Eine hohe Dichte äußerst flexibler und auf den Punkt gebrachter Abstimmungen – geprägt durch Direktheit und "Präsenz" aller Beteiligten und einer immer konsequenten Lösungsorientierung. Ich habe selten in anderen Organisationen einen solch konstruktiven Elan bei gleichzeitig hohem Energieniveau erlebt. All das wird unterstützt durch schlanke und effektive Planungsinstrumente, effiziente Abstimmungsmechanismen sowie auf den Punkt durchgeführte Sitzungen der Beteiligten.

 

Künstlerisches Schaffen und effizientes Management schließen sich nicht aus – ganz im Gegenteil. Aus dem Blick in den Opernbetrieb lässt sich hier viel lernen. In einer Zeit, in der allerorts über "agile Organisationen" geredet wird, findet man in der Oper Wuppertal eine solche Agilität in Reinform.

 

Hintergrund zu den Blogeinträgen "Reflect OPERAS"

 

Foto © Jens Grossmann